Mein Traum vom Glück

Als Axel und ich in dieses kleine Häuschen eingezogen sind, war von Anfang an klar: Im Garten wird angebaut. Lustigerweise ist das sogar Mietvertragsbedingung. Denn unser Häuschen steht unter Denkmalschutz und es ist tatsächlich Pflicht - weil es damals auch schon so war - dass in den Gärten ein kleiner Teil zum Anbau genutzt wird. Die Auslegung dieser Regel ist natürlich sehr individuell. Es reicht theoretisch, in einer Ecke ein paar Kräuter zu pflanzen. Aber wir haben beschlossen, aus unserem kleinen Gärtchen mehr rauszuholen. Ich wollte meinem Sohn die Möglichkeit geben, in den Garten zu gehen und sich etwas zu Essen zu holen. Ihm zeigen, wie Dinge wachsen. Wo Essen herkommt, was es braucht, wie wundervoll es ist, eigene Lebensmittel direkt vor der Haustür zu haben. 

 

Nun habe ich beileibe keinen grünen Daumen. Selbst Kakteen sind in der Regel dem Tode geweiht, wenn sie mich nur sehen. Ich habe absolut keine Beziehung zu Zimmerpflanzen. Wie die Orchidee, die Axel mir vor Jahren mal geschenkt hat, immer noch leben kann, ist mir ein Rätsel. Ich vermute, es ist Trotz. Sie will mir irgendwie beweisen, dass sie trotz meiner schändlichen "Pflege" überleben kann. Finde ich faszinierend. Und freue mich darüber. Aber mein Verdienst ist das nicht. 

Im Garten bin ich ähnlich unbedarft, wie mit den Zimmerpflanzen. Ich weiß ein paar grundlegende Dinge - Tomaten brauche viel Licht und Wärme, viel Wasser, aber nur von unten, man gießt nicht in der prallen Sonne, es gibt Viel- und Wenigzehrer (aber was was ist, da muss ich dann schon überlegen). Das ist so in etwa mein "Wissen", was den Obst- und Gemüseanbau betrifft. 

 

Ich bin so eher die Sorte, die Samen und Jungpflanzen in die Erde steckt, sie gießt und dann sagt "so, und jetzt macht was draus". Da ich nicht den Anspruch habe, meine Familie mit dem angebauten Gemüse zu ernähren, sondern es nur als Zugabe und Freude sehe, funktioniert das erstaunlich gut. Meine Tomaten wachsen frei, ohne Dach. Eigentlich ein Todesurteil, aber meine stören sich nicht sonderlich daran. Letztes Jahr hatten wir so riesige Tomaten im Hochbeet mit so vielen Tomaten dran, dass wir gar nicht alles ernten konnten. Und interessanterweise haben sich die Samen von den runtergefallenen Tomaten zum Keimen entschlossen. Ich finde ÜBERALL in meinem Garten kleine Tomatenkeimlinge. Allein im Hochbeet, wo derzeit Himbeeren, Kohlrabi und Gurken wachsen, musste ich gefühlt 100 kleine Keimlinge entfernen. 

 

Ich verwende allerdings auch sehr hochwertiges Biosaatgut, bevorzugt alte Sorten. Das trägt natürlich auch dazu bei, dass meine Pflänzchen so gut gedeihen. Auf den Bildern seht ihr einen Teil - noch nicht alles, den vorne wächst auch noch etwas  - von unserem diesjährigen Anbau. Momentan wachsen bei uns:

 

- 3 Strauch-Himbeeren

- lila Kohlrabi

- 7 versch. Tomaten 

- 6 versch. Kartoffeln

- 1 Hokkaido 

- 6 versch. Erdbeeren

- 1 Blaubeere

- 2 Apfelbäume

- 1 Maulbeere

- 1 Johannisbeere (aber die will nicht so recht)

- Erbsen

- Bohnen

- Gurke 

- diverse Kräuter (ca. 15, davon 4 versch. Minzsorten)

- Pflück- und Feldsalat 

- essbares Unkraut (was Nutzen oder Schönheit hat, darf nämlich bleiben, solange es nicht Überhand nimmt)

 

Just zur Sekunde sitze ich am Gartentisch und schreibe diesen Text. Die Sonne scheint mir in den Rücken, hinter mir summen Bienen, Susi (eine unserer Gastenten) trinkt aus der für sie bereit gestellten Wanne)... es ist einfach so herrlich. In der heutigen Zeit geht es immer wieder und stark darum, mehr zu haben. Mehr zu erreichen. Mehr zu bekommen. Man ist so selten zufrieden. Man jagt immer allem Möglichen hinterher. Geld, Anerkennung, Materiellem. Und so oft übersieht man dabei, was man schon hat. Was direkt vor der eigenen Nase ist. Wie viel wir im Grunde schon besitzen. 

 

Ich empfinde es als ungemein wertvoll, das Glück zu haben, ein schönes Zuhause zu haben. Ja, das Haus gehört uns nicht. Natürlich wäre es schön, wenn es unseres wäre. Aber jetzt gerade, für diesen Moment, lebe ich hier. Und hoffentlich noch lange. Ich bin dankbar dafür, diesen Ort gefunden zu haben. Dankbar, dass mein Kind hier aufwachsen kann. In einer Umgebung, wo der Park direkt vor der Tür ist. Wo er auf der Straße spielen kann mit anderen Kindern. Dass wir das Glück haben, einen kleinen Garten zu haben, in dem wir Gemüse wachsen lassen können. In dem mein Kind bastelt und experimentiert. Das ist so viel, was andere nicht haben. 

 

Jetzt, hier, in diesem Moment, das ist mein Glück. 

 

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